Bundestag beschließt Frauenquote: Zieht die EU nach?

19. Mai 2015 - München, Deutschland - Langsam aber sicher erkennen Regierungen und Gesetzgeber, dass es nötig ist, Frauen umfassender in die Geschäftswelt einzubinden. Es ist eine allgemein anerkannte Tatsache, dass Frauen bestärkt werden sollen, wichtige Ämter zu übernehmen: nicht nur, weil sie das Recht dazu haben, sondern weil ihre Leistungen und Fähigkeiten – als perfekte Ergänzung und notwendiges Gegengewicht zu männlichen Stärken – von unschätzbarem Wert sind.

Das kürzlich vom Bundestag verabschiedete Gesetz schreibt vor, dass große börsennotierte Unternehmen nicht-geschäftsführende Funktionen bis 2016 zu 30 Prozent mit Frauen besetzen. Obwohl Frauen nahezu die Hälfte aller Berufstätigen in Deutschland ausmachen, sind nur 20 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder weiblich. Die neue Frauenquote ist in mehr als 100 großen deutschen börsennotierten Unternehmen durchzusetzen. Das Gesetz sieht zudem vor, dass sich 3.500 mittelständische Unternehmen eigene Zielvorgaben für den Frauenanteil in ihren Führungsgremien setzen müssen. Unternehmen, die die Quote noch nicht erfüllen, müssen Leerstellen mit Frauen besetzen oder aber die Position unbesetzt lassen.

3.500 mittelständische Unternehmen müssen sich eigene Zielvorgaben für den Frauenanteil in ihren Führungsgremien setzen.

Einige große deutsche Unternehmen erfüllen bereits jetzt die vom Gesetz geforderte 30-Prozent-Quote, so z. B. Adidas, die Deutsche Telekom und die Allianz. Die New York Times berichtete jedoch, dass amerikanische und norwegische Wirtschaftswissenschaftler herausfanden, dass solche Quotenregelungen Frauen zwar zu Posten in Führungsgremien verhelfen können, dass sie jedoch weder den Frauenanteil unter den CEOs erhöhen noch das geschlechtsspezifische Lohngefälle abschaffen noch die Einbindung familiärer Aufgaben berücksichtigen. Trotzdem sind Befürworter sicher, dass das Quotengesetz die Corporate Governance in Deutschland entscheidend verbessern und über die nationalen Grenzen hinweg von Bedeutung sein wird.

Vom wirtschaftlichen Standpunkt her ist es eine vernünftige Entscheidung, einen großen und bisher zu wenig genutzten Talentpool besser auszuschöpfen. Frauen stellen 51 Prozent der europäischen Bevölkerung, tätigen 70 Prozent der Haushaltseinkäufe und sind Männern auch in puncto Bildung voraus. Eine Studie der Harvard Business Review ergab, dass Frauen besser als Männer in der Lage sind, Beziehungen aufzubauen, Integrität auszustrahlen und eigene Ziele zu erreichen. Bei 12 von 16 Kriterien für herausragendes Führungstalent erzielten Frauen ein besseres Ergebnis. Überraschenderweise lagen sie auch bei zwei Fähigkeiten vorn, die traditionell eher Männern zugeschrieben werden: Initiativen ergreifen und Resultate erzielen.

Aufgrund der häufig männlich geprägten „Aufstiegsmobilität“ am Arbeitsplatz sind Frauen gezwungen, härter zu arbeiten und aggressiver vorzugehen, wenn sie sich eine Führungsposition sichern wollen. Interviews, die von McKinsey & Company durchgeführt wurden, zeigen, dass Frauen dazu neigen, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen. Eine von MBA-Studenten durchgeführte Studie ergab, dass 70 Prozent der Frauen ihren eigenen Beitrag als gleichbedeutend mit dem ihrer Kollegen einschätzen. 70 Prozent der Männer stuften den eigenen Beitrag als höher ein. McKinsey zufolge nehmen Frauen an, dass jeder sehen könne, wie hart sie arbeiten, ohne dass sie dies kommunizieren müssten. Diese Haltung ist ihrer Karriere häufig abträglich.

Immer mehr Unternehmen erkennen, wie wichtig die Gleichstellung der Geschlechter ist, und machen sich aktiv daran, das vorhandene Ungleichgewicht auszumerzen.

Die Unternehmen sind sich dieses männlich-dominanten Verhaltensmusters am Arbeitsplatz zunehmend bewusst. Untersuchungen von McKinsey zeigen, dass immer mehr Unternehmen erkennen, wie wichtig die Gleichstellung der Geschlechter ist, und sich aktiv daran machen, das vorhandene Ungleichgewicht auszumerzen. So haben Unternehmen verschiedene Maßnahmen ergriffen: Einführung besonderer Schulungsprogramme zur Förderung der Vielfalt, Überarbeitung von Einstellungs- und Beförderungsprozessen zum Ausgleich geschlechtsspezifischer Unterschiede und Definition klarer Zielvorgaben für den Frauenanteil in Führungspositionen. Trotzdem hört man häufig Klagen, wenn die Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt sind: Schließlich garantiert die bloße Lancierung einer Initiative nicht deren Erfolg.

Regierungen können die Geschlechtervielfalt am Arbeitsplatz über angemessene politische Maßnahmen aktiv beeinflussen. Sie können berufstätige Frauen z. B. durch Kinderbetreuungseinrichtungen und Familienpausen angemessen unterstützen. Auch der Gesetzgeber kann über Steueranreize oder eben die Frauenquote einen positiven Beitrag leisten.

Auch der Gesetzgeber kann über Steueranreize oder eben die Frauenquote einen positiven Beitrag leisten.

Avivah Wittenberg-Cox, eine Londoner Expertin zur Gleichstellung der Geschlechter in der Geschäftswelt, argumentiert, dass sich Männer für Regelungen zur Verbesserung der Geschlechterdisparität aussprechen sollten, da es für Frauen so schwer sei, dass Thema selbst voranzubringen. Sie zeigt sich auch weiterhin optimistisch und sieht die neue Gesetzgebung in Deutschland als Zeichen dafür, dass „sich Europa mit ganzem Herzen der neuen Frauenquote verschrieben hat“.

In Norwegen war es ein konservativer Politiker, der sich als Erster für die Frauenquote aussprach. So kam es, dass Norwegen als erstes Land weltweit 2003 eine Frauenquote von 40 Prozent für Unternehmensgremien einführte. Spanien, Frankreich und Island (je 40 Prozent) sowie Italien (33 Prozent), Belgien (30 Prozent) und die Niederlande (30 Prozent, unverbindliche Vorgabe) griffen den norwegischen Vorschlag auf.

Die EU erwog die Einführung eines Gesetzes, demzufolge die Führungsetage von Unternehmen zu mindestens 40 Prozent von Frauen zu stellen sei. Obwohl das Gesetz noch nicht verabschiedet wurde, bekommt das Thema der Gleichstellung der Geschlechter in Unternehmensgremien immer mehr Aufmerksamkeit. Frauen sind weltweit in wichtigen Ämtern noch immer unterrepräsentiert, erhalten weniger Geld als die männlichen Kollegen und warten weiterhin auf flexible Lösungen für die Einbindung ihrer familiären Aufgaben. Argumente für eine gesetzliche Lösung gibt es also genug.

Ob eine Frauenquote den Kern des Problems erreichen kann, sei dahingestellt. Es steht jedoch außer Frage, dass der weibliche Einfluss männlich dominierte Einrichtungen nur bereichern und stärken kann.


Guido Bormann ist Country Manager Deutschland bei Pedersen & Partners. Er besitzt zehn Jahre umfangreiche Erfahrung in der Executive-Search-Branche; war auch zuvor bereits bei einer multinational tätigen Personalberatung als zunächst in Madrid (Spanien), später als Country Manager für Deutschland, die Türkei, Skandinavien und Zentralosteuropa zuständig. Vor seinem Wechsel in die Executive-Search-Branche arbeitete Guido Bormann im Bereich Erneuerbare Energie und für einen Marktführer in der Fertigung von Holzfaserdämmung.

Guido Bormann besitzt einen Master-Abschluss in European Business von der ESCP und einen Master-Abschluss in Forstwissenschaften von der Georg-August-Universität Göttingen. Er ist deutscher Muttersprachler und spricht auch Englisch und Spanisch fließend.


Pedersen & Partners ist ein führendes Executive-Search-Unternehmen mit 53 eigenen Büros in 50 Ländern, davon 32 in Europa und Russland, sieben im mittleren Osten und Afrika, sechs in Nord- und Südamerika und acht in Asien. Unsere Werte – gegenseitiges Vertrauen, gute Beziehungen und höchste Professionalität – prägen unsere Interaktion mit Kunden und Führungskräften. Nähere Informationen zu Pedersen & Partners finden Sie auf www.pedersenandpartners.com.

Ansprechpartnerin für Interviewanfragen und Presseauskünfte: Diana Danu, Marketing & Communications Manager: diana.danu@pedersenandpartners.com.

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